30jährige Jubiläumstour auf den Säuling Hans-Jürgen Sinn
Der Säuling ist mit 2047 m zwar nicht übermäßig hoch, aber eine sehr markante und Respekt einflößende Spitze über den Königsschlössern von Füssen im Allgäu. Für mich verbindet sich mit diesem Berg aber eine ganz besondere Geschichte:
Im Juni 1990, also noch vor der Währungsunion, sind wir gemeinsam mit den Schwiegereltern mit deren Wartburg zu unserem ersten Alpen-Urlaub nach Füssen aufgebrochen. Ehemalige Bekannte aus Oberhof, die mittlerweile aber schon mehrere Jahre im „Westen“ wohnten, überließen uns kostenfrei ihre Zweitwohnung in Füssen für ein paar herrliche Ferientage. Wir hatten ja zu diesem Zeitpunkt immer noch nur unser DDR-Geld und die paar DM Begrüßungsgeld. In Erinnerung geblieben ist auch noch die Tatsache, dass wir im Schloss Neuschwanstein unter Vorlage unseres DDR-Ausweises unentgeltlich und an der Schlange vorbei eingelassen wurden. Heute unvorstellbar!
Ein Höhepunkt dieses Urlaubs war für mich zweifellos die Besteigung des Säulings, gemeinsam mit meinem damals 54jährigen Schwiegervater. Mehrere Tage haben wir uns den Berg angeschaut und überlegt, ob wir es wagen können. Wir kamen ja aus der DDR, hatten nur minimalistische Ausrüstung und meine einzigen Bergtouren bis dahin waren zwei Urlaube in der Hohen Tatra. Schließlich taten wir es… Von der Tour weiß ich nur noch so viel, dass das Wetter nicht optimal war, der Himmel am Gipfel zugezogen war und es beim Abstieg zu regnen begann. Deshalb sind wir dann auch im Säulinghaus eingekehrt, wo auf Grund des Wetters nur sehr wenig Besucher anzutreffen waren. An unserem Nachbartisch saß ein einsamer Herr, der recht bald mitbekam, dass wir aus der DDR kamen. Es dauerte nicht lange und er saß bei uns am Tisch und gab einen Obstler nach dem anderen aus. Es war ein Stadtrat von Füssen, der sehr wissbegierig unseren Geschichten lauschte.
Soviel zur Vorgeschichte. Das Tal haben wir damals übrigens trotz allem schadlos erreicht…
Letztes Weihnachten, als wir mal wieder in Familie mit unseren beiden Söhnen zusammensaßen, reifte bei mir die Idee, im Sommer 2020, also nach genau 30 Jahren, diese Tour zu wiederholen. Diesmal sollte die Besteigung nicht mit meinem Schwiegervater (er ist mittlerweile verstorben), sondern mit meinen beiden Söhnen und Lisa, der „Schwiegertochter in spe“, erfolgen. Am 18.07.2020 war es dann soweit:
Mit den eingescannten Gipfelfotos auf dem Smartphone starteten wir wie damals am Schloss Hohenschwangau. Stück für Stück kämpften wir uns nach oben. Das Wetter war zu diesem Zeitpunkt noch super. Nach 1300 Hm und ca. 3,5 Std. standen wir auf dem Gipfel. Das Wetter hatte sich verschlechtert und nahm uns die beim Aufstieg noch erlebte Fernsicht, also genau wie damals. Wir machten logischerweise die vergleichbaren Fotos am Gipfelkreuz, welches offensichtlich auch noch das Original war. Auch den Eintrag im Gipfelbuch wiederholten wir. Dieses war selbstverständlich ein neues. Es kam dabei aber schon die Diskussion auf, ob es das Gipfelbuch von vor 30 Jahren mit unseren DDR-Eintragungen noch in irgendeinem Archiv gibt… Der Originalroute folgend sind wir auch diesmal zum Säulinghaus abgestiegen und eingekehrt. Es war auch wieder schön, nur der Stadtrat von Füssen saß leider nicht mehr dort. Nach der Umrundung der Pilgerschrofen sind wir auch diesmal wieder gut und zufrieden in Neuschwanstein angekommen, wo uns meine Frau in Empfang genommen hat.
Es war eine wunderschöne Retrotour, für die ich Michael, Stefan und Lisa sehr dankbar bin.
Mal sehen, was wir in diesem Jahr zu Weihnachten für Ideen haben… Ich freue mich schon drauf.
Frohe Weihnachten wünscht Hans-Jürgen Sinn aus Oberhof