11.2018 El Hierro: Viel mehr als der eine Baum Andreas Kuhrt
Als wir vor 26 Jahren mal auf der Wanderinsel La Gomera „einheimische“ Deutsche fragten, ob sich ein Besuch von El Hierro lohnen würde, war die Antwort: „Was wollt ihr denn da? Da gibt’s doch nur den einen Baum!“ (den knorrigen Wacholderbaum von den Postkarten). Inzwischen haben uns Freunde aber so von der vielfältigen Schönheit der kleinsten kanarischen Insel vorgeschwärmt, dass wir den grauen November 2018 zu einem Wanderurlaub auf El Hierro nutzten.
Die Insel ist nur etwa 25 x 15 km groß und hat mit etwa 11000 ungefähr so viele Einwohner wie Zella-Mehlis. All-Inclusive-Hotels, Nachtleben und Strände gibt’s nicht (wie in Zella-Mehlis), weshalb Pauschaltouristen einen großen Bogen drum rum machen.
Dafür ist El Hierro ein anderer Hot Spot: die südwestlichste (450 km vor der nordafrikanischen Küste) und jüngste kanarische Vulkaninsel (ca. 1 Million Jahre, Alter ist eben relativ) steigt etwa 4500 m vom Meeresboden im Atlantik auf, wovon immerhin 1500 m über die Wasseroberfläche ragen und ein ziemlich hohes Rückgrat der Insel bilden (die Cumbre). In der Hochland-Nebelzone des Passats gibt es urtümliche Lorbeer-, Baumheide- und Pinienwälder, die das Wasser aus der Luft zapfen. Das Wahrzeichen der Insel, der Sabina-Baum, gehört zum einzigartigen Wacholderwald El Sabinar, dessen letzte knorrige, vom ständigen Wind niedergedrückte Exemplare im unbewohnten Inselwesten zu finden sind (der Rest wurde in 500jähriger spanischer Besiedelung – nach der Vertreibung der Bimbache-Urbevölkerung – als Bau- und Brennholz benutzt).
Wer Vulkanlandschaften toll findet, wird im Inselsüden beim Fischerdorf La Restinga aus dem Fotografieren von Strick-, Block-, Fladen- und Kissenlava gar nicht wieder rauskommen (so wie wir). Die Lavaküste wird meist durch interessante Steilwände, Basaltsäulen, Klippen, Buchten, Höhlen, Felstore gebildet, die den ungebremsten Atlantikwellen trotzen (westlich ist Florida in 6000 km Entfernung das nächste Land).
Im Norden El Hierros bildet ein gigantischer erdgeschichtlicher Felssturz das Golfo-Tal wie ein riesiges Amphitheater, dessen Hauptort La Frontera ein guter Ausgangspunkt zur Erkundung der Insel ist. Wir wohnten bei einer Familie im winzigen Ortsteil El Lunchón (10 Häuser) in einem historischen herreñischen Landhaus inmitten von Terrassengärten unter den Steilwänden von El Golfo. Blas Quintero Zamora (der Ur-Urgroßvater der jetzigen Besitzer) hatte das Haus Mitte des 19. Jh. nach seiner Rückkehr als Tabakarbeiter auf Kuba gebaut.
Die bewußt auf Naturtourismus setzende Insel (UNESCO-Biosphärenreservat) ist mit vielen markierten Wanderwegen erschlossen. Aufgrund der steilen Topografie haben es einige Wanderwege in sich: von 0 auf 1000 m in 4 km. Dafür hat man oben an den Aussichtspunkten der Steilwände der Cumbre grandiose Aussichten über das Golfo-Tal und das Meer zu beiden Seiten. Wenn das Wetter mitspielt. Sonst hat man ein schönes Bergwandertraining (man muss meist auch wieder runter, denn Busverbindungen sind rar) und kann am eigenen Leib erfahren, was Nebelwald ist.
Noch spannend auf El Hierro: die Straßen: meist schmal mit unzähligen Kurven und Serpentinen aber dafür ohne Leitplanken fördern sie entweder Kurventechnik oder Nervenzusammenbruch. Ich hoffe, das war jetzt abschreckend genug, denn schließlich soll El Hierro ja so schön ruhig bleiben wie bisher.
Ein paar mehr Bilder und Infos gibt’s im Web: foto.akut.zone/…